Ein Gleichnis hilft dem anderen

Was passiert, wenn Gleichnisse miteinander kombiniert werden? Bericht über eine Godly Play-Werkstatt

von Stefan Mendling

„So wertvoll wie Gold – manche sagen sogar: wertvoller als Gold!“ Ja, Gleichnisse sind wertvoll, geheimnisvoll und herausfordernd. Wer Godly Play ein bisschen kennt, der weiß, was in Gleichnissen alles stecken kann. Vor allem soll aber bei Godly Play alles, was wir schon über das Gleichnis zu wissen glauben, in Frage gestellt werden. Denn erst dann kann ich mich neu auf das Gleichnis einlassen. Das haben wir in der Godly Play-Werkstatt in Landstuhl am 21. April mit Ruth Magsig erprobt: Sie hat zunächst das Gleichnis „Vom barmherzigen Vater und seinen beiden Söhnen“ erzählt und mit der Gruppe ergründet.

„Jedes gute Gleichnis zieht ein neues nach sich!“ Ruth Magsig kombiniert zwei Geschichten. Foto: Mendling

Die Freiheit, ein Gleichnis ganz anders zu verstehen

Die meisten Menschen kennen dieses Gleichnis wohl schon aus ihren Kindertagen – meist unter dem Namen „Der verlorene Sohn“. Doch dieser Titel allein interpretiert das Gleichnis bereits und gibt vor, wie ich es verstehen soll. Die meisten werden wahrscheinlich auch die gängige Deutung verinnerlicht haben, dass der Vater für Gott stehe, der „verlorene Sohn“ für den sündigen Menschen etc. Das führt leider immer wieder dazu, dass ich denke: Das Gleichnis hat mir nichts Neues zu sagen. Godly Play möchte mir die Freiheit zurückgeben, das Gleichnis auch mal ganz anders zu verstehen, neue Ebenen zu entdecken, mit neuen Deutungen zu experimentieren. Darum fordert uns Ruth heraus:

„Ob uns ein anderes Gleichnis dabei hilft, tiefer in dieses Gleichnis einzutauchen?“ Foto: Mendling

„Ich frage mich, ob uns ein anderes Gleichnis dabei hilft, noch tiefer in dieses Gleichnis einzutauchen?“ Sie holt eine weitere goldene Schachtel dazu. „Dies ist das Gleichnis von der kostbaren Perle“, beginnt sie die zweite Erzählung und lädt die Gruppe ein, nochmal mit ihr abzutauchen. Diesmal sieht die Ergründungsphase anders aus: „Nun frage ich mich, was wir aus diesem Gleichnis nehmen und in das andere Gleichnis legen könnten?“ Ein spannender Gedanke, der das Gleichnis vom barmherzigen Vater in einem anderen Licht erscheinen lässt: Ist der Sohn, der zurückgekehrt ist, für den Vater vielleicht die kostbare Perle? Oder ist der Vater diese Perle? Was passiert, wenn der Mann mit der Perle mit den beiden Söhnen zusammen am Tisch sitzt und sie sich darüber unterhalten, was im Leben wirklich wichtig ist? Diese und mehr faszinierende Fragen kommen, sobald diese Gleichnisse miteinander kombiniert werden. Ein neues Bild entsteht – im wahrsten Sinne, denn von dem einen Gleichnis wandern Teile in das andere und umgekehrt. „Jedes gute Gleichnis zieht ein neues nach sich!“, ist Ruth Magsig überzeugt. Und tatsächlich wird mir durch das Hin und Her, das Vergleichen und Kombinieren der beiden Geschichten etwas schwindelig. Genau das sei beabsichtigt, erklärt Ruth bei der Reflexionsrunde am Ende, „damit ich im Kopf loslasse, was ich bisher über die Gleichnisse gedacht habe.“

Faszinierende Möglichkeit für erfahrene Godly Play-Gruppen

Das stimmt: Durch das Kombinieren der Gleichnisse ist viel in meinem Kopf passiert, einiges durcheinander geraten und manches neu entstanden. Diese Art, ein Gleichnis mit einem anderen zu ergründen, ist für erfahrene Godly Play-Erzählerinnen und -Erzähler eine geniale Möglichkeit, mit einer ebenfalls erfahrenen Godly Play-Gruppe tiefer einzusteigen. Hier wird auf faszinierende Weise erlebt, dass Gleichnisse wirklich ein Schatz sind, der unendlich viel in sich birgt – und damit ganz klar wertvoller ist als Gold.

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